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Ein Kraftfutter-Guide

Der Markt für Kraftfutter ist riesig und unübersichtlich, die Meinungen über Zutaten und Futter-Strategien gehen teils massiv weit auseinander. Im Interview gibt Futterberaterin Andrea Everding Antworten auf die wichtigsten Fragen für Vollblüter in (Hochleistungs)-Sport und Freizeit. 

 

 

Vorteile und Nachteile von Hafer als Kraftfutter? Für Sportpferde? Für Freizeitpferde?

 

Andrea Everding: Hafer ist nach wie vor das am besten zu verdauende Krippenfutter für Pferde. Dass Hafer in seiner einmaligen Zusammensetzung als das Pferdegetreide schlechthin gilt, ist daher unumstritten.

 

Hafer - wobei eine gute Qualität ohne Schimmelpilzkontamination vorauszusetzen ist - zeichnet sich durch ganz besondere Ernährungsqualitäten aus. Die enthaltene Stärke (ca. 45% je kg) kann schnell aufgeschlossen und leicht verdaut werden. Der Hafer verfügt dabei über hochwertige Aminosäuren, welche besonders essentiell für Sport- und Zuchtpferde sind. Wenn den Pferden sportliche Leistungen abverlangt werden, ist Hafer auf alle Fälle immer zu empfehlen, da er schnell verfügbare Energie liefert, ohne den Organismus dabei unnötig zu belasten. Bei Freizeitpferden kann dies jedoch zum Verhängnis werden! Werden diese nicht entsprechend trainiert, kann der Hafer schnell in „den Kopf“ steigen. Die Pferde sind teilweise hibbelig und lassen sich schwer händeln. Hier empfehlen wir in der Regel lieber ein Krippenfutter mit wenig Energie, immer angepasst an den Bedarf der Pferde. Wenn Hafer bei gering beanspruchten Pferden gefüttert werden soll, dann nur in sehr geringen Mengen und an die Leistung und den Futterzustand der Pferde angepasst.

 

Was spricht für den Hafer?

 

Andrea Everding:

  • hoher Gehalt an Verdauungsfördernden Schleimstoffen
  • hohe Mengen an ungesättigten Fettsäuren und essentiellen Aminosäuren
  • quetschen ist nicht erforderlich, es sei denn, die Pferde haben Zahnprobleme oder bei ganz jungen Pferden
  • Haferstärke wird im Dünndarm vom Körper gut verdaut

Was könnte dagegensprechen?

 

Andrea Everding:

  • enges Calcium- Phosphor Verhältnis: wenig Calcium, viel Phosphor. Korrektur durch ausgewogenes Mineralfutter notwendig
  •  sehr unterschiedliche Qualitäten – Litergewichte: gute über 500 g/l schlechte unter 460g/l
  • Spelzfalten halten Restfeuchte = guter Nährboden für mikrobiellen Besatz wie z.B. Schimmelpilze, vor allem in sehr nassen Sommermonaten
  • Immer anhängig von der Qualität

 

Wie bekomme ich über Kraftfutter möglichst viel Energie ins Pferd?

 

Andrea Everding: Hochkalorische Futtermittel einsetzen wie z.B. Gersteflocken, Maisflocken oder aufgepoppten Mais. Hierbei sollte jedoch der recht hohe Stärkegehalt nicht außer Acht gelassen werden! Vor allem Pferde mit empfindlicher Verdauung oder Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes oder des Stoffwechsels sollten nur geringe/keine Mengen dieser Futtermittel erhalten.

Auch Öl (Mariendistelöl, Leinöl, Reiskeimöl etc.) liefert sehr viel Energie und kann bedingt gefüttert werden.

Energie in MJ pro kg circa:

Hafer: 11,5 – 12,5 MJ

Gerste: 12,8 – 13,5MJ

Mais: 13,7 – 14,2 MJ

Öl: 36,3 MJ

 

Wie bekomme ich über Kraftfutter möglichst viele Kalorien ins Pferd (ohne extra viel Energie)?

 

Andrea Everding: Hier kann man Rübenschnitzel, Luzernecobs, Reiskleie und Maiscobs einsetzen


Wir groß darf eine Kraftfutter-Ration maximal ausfallen (Magenvolumen)? 

 

Andrea Everding: Grundsätzlich sollten nur 200 - 400 g / 100 kg Körpergewicht pro Mahlzeit an Krippenfutter gefüttert werden, sonst kann es zu Magenüberladungen, Koliken, Fehlgärungen und Aufgasungen kommen.

 

Sonstige Tipps für die Fütterung von Sportpferden?

 

Andrea Everding: Bei Sportpferden steigt der Energiebedarf in bestimmten Trainings- und Wettkampfsituationen deutlich an. Der zunehmende Energiebedarf kann nicht mehr allein über Raufutter und Gras abgedeckt werden, denn die Leistungsfähigkeit wird durch ein einseitiges voluminöses Futter eingeschränkt. Mit höherer Belastung nimmt aber auch der Wasser- und Elektrolytverlust stark zu. Daher ist eine ausreichende Heuversorgung des Sportpferdes eine wichtige Grundlage für eine effektive Wasser- und Elektrolytspeicherung im Dickdarm.

 

Sportliche Leistungen sind nur möglich, wenn Training, Fütterung und Belastung gut aufeinander abgestimmt sind. Sportpferde benötigen ein gut verdauliches Futter, dass die enthaltene Energie schneller freisetzt und für das Pferd verfügbar macht. Hierfür eigenen sich besonders hydrothermisch aufgeschlossene Getreideflocken. Die für die hohen Belastungen nötigen Kraftfuttermengen sollten auf mehrere kleinere Mahlzeiten aufgeteilt werden. Die Rationen sollten nicht zu eiweißreich sein, müssen aber den Bedarf an den essentiellen Aminosäuren wie Lysin und Methionin decken. Daher sollte auf eine moderate Eiweißversorgung mit entsprechender Aminosäurenqualität besonderer Wert gelegt werden.

 

Bei der Fütterung von Sportpferden ist auf die folgenden Punkte besonders zu achten:

 

  • ausschließlich qualitativ hochwertiges Raufutter füttern (siehe: Raufutter-Guide)
  • Raufutter sollte vor Kraftfutter gefüttert werden
  • Bei Turnieren sollten kleinere Heumengen vor dem Start und in den Pausen angeboten werden, Wasser sollte zur freien Verfügung stehen
  • Große Kraftfuttermengen in mehreren kleinen Portionen anbieten
  • Mind. 2 Stunden Pause nach dem füttern
  • Ausreichende Versorgung mit Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen

 

Sonstige Tipps für die Fütterung von schwerfuttrigen Freizeitpferde?

 

 

Andrea Everding: Das A und O bei schwerfuttrigen Pferden ist die ausreichende Versorgung mit gutem, nährstoffreichem Raufutter (Heu, Heulage, Futterstroh). Dieses sollte in ausreichender Menge, mind. 1,5 – 2 kg pro 100 kg Körpergewicht/Tag zur Verfügung stehen. Raufutter ist ein wichtiger Rohfaserlieferant, was in der Pferdefütterung von großer Bedeutung ist. Ausreichende Raufuttermengen sorgen für eine gute Verdauung, Zufriedenheit beim Pferd und ein gleichmäßiges Abnutzen der Zähne. Positiv ist es, wenn das Heu aus engmaschigen Heunetzen angeboten wird. So können kontinuierlich kleine Mengen aufgenommen werden. Das verlangsamt die Fressgeschwindigkeit und ist auch gut für den Magen. Fresspausen sollten nie länger als 4 Stunden sein. Das Krippenfutter sollte ein ausgewogenes Energie/Eiweißverhältnis aufweisen, damit nicht noch ein Eiweißüberschuss zur weiteren Gewichtsabnahme führt.